Clevere Geschäftsidee: Wie zwei Wiener den Fahrradschlauch neu erfanden
Über 120 Jahre, nachdem die Herren Dunlop und Michelin mittels Gummi, Schlauch und Luft Komfort aufs Rad gebracht haben, kommt die erste Innovation. Diesmal aus Wien.






Studiert haben die beiden Neo-Unternehmer an der Technischen Universität in Wien: Christian Lembacher technische Chemie, Akos Kertesz Wirtschaftsingenieurwesen mit Maschinenbau. Getroffen haben sie sich dann im Job, in der Forschungsabteilung beim bei Akkustik-Spezialisten Knowles Electronic. In der Freizeit frönten sie dem gemeinsamen Hobby, dem Mountainbiken – und fanden Synergien: Sie erfanden den Fahrradschlauch neu und gründeten das Start-up Tubolito.
Forschung an neuen Materialien
Kaum jemand kennt unseren einstigen Arbeitgeber, obwohl beinahe jeder täglich dessen Produkten ganz nahe ist: Das Unternehmen stellt Lautsprecher für Mobiltelefone her. Wir waren in der Entwicklung tätig und haben unter anderem an Materialien für Lautsprecher-Membranen geforscht. Diese Membranen sind zwar ziemlich klein, werden aber jahrelang extrem beansprucht: Sie erzeugen durch Schwingung Schallwellen, die auch den Umgebungslärm übertönen können müssen.
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Marktlücke entdeckt
Als begeisterte Mountainbiker sind wir oft im Radlager gesessen, einem Fahrradgeschäft und Café, wo viel gefachsimpelt wird. Irgendwann haben wir uns über den Schlauch unterhalten. Ein unauffälliger, aber immens wichtiger Bestandteil des Rades. Der wird, im Gegensatz zu allen anderen Komponenten eines Fahrrads, seit hundert Jahren unverändert hergestellt: aus Gummi, einem ausgesprochen schweren Material, das eingesetzt wird, weil es elastisch, dicht und strapazfähig ist.
Damit kannten wir uns aus. Und so wie die Laufsprecher-Membran gefordert wird, wird auch der Schlauch beim Mountainbiken strapaziert. Logisch also, dass es sich anbot, auch hier nach neuen Materialien zu forschen.
Entwicklung neben dem Job
Im Sommer 2015 starteten wir mit der Entwicklung. Wir experimentierten mit den Materialen, die wir schon hatten, und überlegten uns, wie man sie zu einem Fahrradschlauch verarbeiten könnte.
Das Ausgangsmaterial kommt als Granulat, das heißt man bekommt Säcke mit bunten Bröseln geliefert, und wir haben eine Technologie entwickelt, wie man daraus Schläuche produziert. Dazu mussten wir auch die nötigen Maschinen entwickeln. Das alles ist neben unserem Job gelaufen, die Entwicklung haben wir aus unserem Gehalt finanziert. In der Zeit sind wir kaum je auch nur ein Wochenende zum Biken gekommen.
Test in der Zielgruppe
Die Technologie haben wir uns patentieren lassen – das alleine hat 3.500 Euro an Amtsgebühren gekostet, dazu mussten wir einen spezialisierten Rechtsanwalt beschäftigen. Schließlich war es soweit, wir konnten die ersten Prototypen herstellen.
Wir wussten, dass es Interesse für das Produkt gab, wir hatten das schon früh bei einschlägigen Händlern abgetastet. Als wir dann mit dem fertigen Produkt vorstellig wurden, waren sie aber dennoch überrascht, dass wir es tatsächlich in Angriff genommen hatten. Aber natürlich haben sie die ersten Schläuche gerne für uns getestet – und waren dabei sicher nicht zu zimperlich.
Als wir uns zwei, drei Wochen später nach ihrer Meinung erkundigt haben, waren sie begeistert. Kein einziger Schlauch war geplatzt, das Fahrgefühl hatte ihnen auch gefallen und dass das Gewicht bei knapp einem Drittel der Gummischläuche lag, hatten sie schon beim ersten In-die-Hand-Nehmen erfreut zur Kenntnis genommen. Das war im Frühsommer 2016.
Rascher Erfolg
Dann ging alles sehr rasch. Ein Händler, der Mountainbiker in Wien, hat nicht nur sofort eine Bestellung aufgegeben, er hat uns auch an seinen Großhändler Bike & Sports vermittelt. Der hat auch getestet, Produkt und Preis-Leistungsverhältnis für gut befunden und war bereit, unseren Schlauch in seinen Vertrieb aufnehmen – obwohl unser Produkt mit 29 Euro etwa dreimal so viel wie ein gewöhnlicher Schlauch kostet.
Damit war klar: Der Markt ist da, das Projekt ist erfolgreich. Im August 2016 haben wir die Tubolito GmbH gegründet, die die Aufträge annimmt, abwickelt und fakturiert. Die Serienproduktion lassen wir in Lohnfertigung durchführen, dazu haben wir die von uns entwickelten und gebauten Maschinen einem geeigneten Betrieb überlassen, der die Herstellung nun für uns abwickelt.
Unterstützung durch Start-up Profis
Wir sind nun also eine echte Firma! Das erste Jahr, die Entwicklung haben wir als Einzelkämpfer und aus eigener Tasche finanziert.
Dann haben wir uns bei INITS, dem Start-up Gründerservice von Uni und TU Wien beworben – und wurden in ihr Programm aufgenommen. Dadurch haben wir Zugang zu einem Netzwerk von Mentoren und Consultants bekommen, die uns durch den Start-up Prozess geführt, auf Probleme aufmerksam gemacht, oder auch bei der Erstellung von Businessplänen und Präsentationen beraten haben.
Und über die Wirtschaftsagentur Wien haben wir ein Startkapital von 30.000 Euro sowie ein kostenloses Büro erhalten, so dass wir uns endlich ganz auf Tubolito konzentrieren konnten.
Begeisterung bei den Investoren
Im Herbst 2016 haben wir zu liefern begonnen, auch aus dem Ausland treffen bereits Bestellungen ein. Wir befinden uns in der glücklichen Zwangslage, mehr Bestellungen zu haben, als wir momentan abarbeiten können.
Deshalb haben wir auch nur relativ wenig Geld in Marketing und Werbung investiert. Abgesehen vom Verpackungsdesign, das unserem Anspruch vom Premiumprodukt entsprechen muss, und den üblichen Aktivitäten in den sozialen Netzen und Messebesuchen hält sich unser Aufwand in Grenzen.
Wir investieren jetzt in die Entwicklung neuer Produkte, etwa einen Schlauch für Rennräder oder Ersatzschläuche sowie in die Ausweitung der Produktion. Die Finanzierung ist durch den Einstieg eines Business Angels gesichert, im Gegenzug erhält er Anteile an der Firma. Und wir bekommen regelmäßig Anfragen von weiteren Investoren, die bei uns einsteigen wollen. Die Finanzierung ist also langfristig gesichert.
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