Von der Konzern-Karriere zur eigenen Motorcycle-Company
Die sichere Karriere beim Weltkonzern haben zwei Manager zu Gunsten einer riskanten Unternehmerlaufbahn aufgegeben und ihr Hobby zum Beruf gemacht.







... Sie haben es nicht bereut. Wie so viele Steirer mit technischem Interesse sind Tom Possold und Michael Siebenhofer in der lokalen Fahrzeugindustrie gelandet: Kaum wo finden sich ähnliche Berufsaussichten wie im Autocluster rund um Graz. Bei Chrysler-Fiat hatten sie sich bereits bis in die Management-Ebene hochgedient – dann bot sich ihnen die Chance, ihr eigenes Projekt zu starten: die TITAN Motorcycle Company.
Raus aus der Karriere, rein ins Abenteuer
Wir waren beide einige Jahre lang als Verantwortliche für Zubehör und Verkauf für zwei Unternehmen in den unterschiedlichsten Weltmärkten unterwegs. Als diese fusioniert wurden, trafen wir aufeinander, hatten öfter miteinander zu tun und stellten gemeinsame Interessen fest. Als eine Umstrukturierung anstand, wurde uns klar, dass wir nicht daran interessiert waren, unsere Karrieren im Unternehmen fortzusetzen und in die nächste Etage nach Detroit oder Turin aufzusteigen.
Vielmehr reifte in uns der Plan, unsere Interessen und Fähigkeiten zu bündeln und uns selbständig zu machen, und zwar mit einer Werkstatt mit Fahrzeughandel. Für den Anfang hatten wir geplant, den Schwerpunkt auf hochwertige Fahrräder zu legen. Doch dann, rund ums Jahr 2014, schossen in Graz einschlägige Shops nur so aus dem Boden, also konzentrierten wir uns auf Motorräder.
Motorbikes – die vernünftige Variante
Wir haben uns zwar damals, wohl auch wegen unseres beruflichen Hintergrunds, mehr für Autos interessiert und auch an den eigenen herumgebastelt, wir fuhren aber beide auch gerne mit unseren motorisierten Zweirädern. Die Motorräder hatten den Vorteil, dass wir mit geringem Kapital- und Platzbedarf den Start wagen konnten. Eine alte Werkstatt haben wir rasch gefunden, die ausgesprochen geringe Miete war ein Argument, der sie rechtfertigende Zustand derselben kein Ausschließungsgrund.
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Die Abfertigung für den Umstieg genützt
Im letzten Jahr unseres Angestelltenlebens begannen wir von unseren Gehältern für unsere Pläne geeignete Motorräder zu kaufen und in die Werkstatt zu schaffen. Wir wussten, dass die Umstrukturierung des Konzerns Anfang 2015 die Firmenleitung dazu veranlassen würde, auch die Mitarbeiterstruktur zu verändern. Unsere Arbeitsplätze sollten an die Zentralen nach Turin und Detroit verlagert werden. Das sind zwar verlockende Dienstorte – wir wollten trotzdem nicht hin. Die Geschäftsleitung versuchte uns die Trennung von der Firma mit einem ordentlichen Abfertigungsangebot schmackhaft zu machen. Wir haben uns überzeugen lassen und die Summe als Gründungskapital genutzt.
Und auch unsere beruflichen Kontakte konnten wir nutzen: Ein Branchenkollege, dem eines unserer ersten eigenen Motorräder aufgefallen war, wollte auch so eines haben. Wir haben es für ihn gebaut und geliefert – nach Turin übrigens, so sind wir also doch noch dorthin gekommen.
Unternehmensgründungs-Programm des AMS
Im Juli 2015 haben wir unsere Firma gegründet – als GmbH, damit waren wir rechtsfähig. Als Personen befanden wir uns noch im Unternehmensgründungs-Programm des AMS. Das heißt, wir bekamen Arbeitslosengeld, durften also keine anderen Einkünfte haben, konnten aber auch als Personen keine Anschaffungen tätigen. Im November haben wir dann an unserem endgültigen Standort, die Firma Titan Motorcycle Company als Fahrzeughandel, Reparatur und Consultingfirma gegründet und eintragen lassen.
Im Zuge der Unternehmensgründung haben wir uns auch nach Förderungsmöglichkeiten erkundigt – das Ergebnis war leider wenig fruchtbar.
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Keine Förderungen für kostenbewusste Unternehmer
Die Betriebsausstattung an sich war nicht förderbar. Man hat uns aber erklärt, dass die Anschaffung von Werkzeug bezuschusst wird. Wir benötigten damals einige kostspielige Spezialwerkzeuge, für die wir zwei- bis dreitausend Euro kalkuliert und geplant hatten, sie übertragen über das Internet zu beschaffen. Allerdings werden nur Neugeräte gefördert; die Einzelrechnung muss mindestens 300 Euro betragen, dazu die Mehrwertsteuer; erst am Ende des Geschäftsjahres wird entschieden ob die Förderung genehmigt wird. Dann bekommt man 20 Prozent zurückerstattet. Das war für uns keine sinnvolle Option.
Der zuständige Beamte war aber sehr hilfreich. Er hat sich überlegt, wo er noch eine Möglichkeit finden könnte. Ob wir an Messen teilnehmen, hat er dann gefragt, das würde auch unterstützt. Tatsächlich hatten wir da gerade beschlossen, auf der Wheels & Waves in Biarritz unsere Arbeit zu präsentieren. Die Wheels & Waves ist eine der wichtigsten Veranstaltungen der Custombike-Szene, bei der auf Motorradumbauten in unserem Stil spezialisierte Unternehmen eine weltweit beachtete Plattform finden. Doch wieder das gleiche Problem: Man muss viel ausgeben, um eine Förderung zu bekommen. Anteilige Zuschüsse gibt es für Hotel, Flug und Transport der Exponate. Wir haben dann viel gespart, indem wir die Motorräder selbst im VW-Bus hingebracht und darin dann auch geschlafen haben.
Bank mit wenig Realitätssinn
Ein ähnlich realitätsfremdes Erlebnis hatten wir auf der Bank. Wir wollten kein Geschäftskonto bei der Bank eröffnen, bei der wir unsere privaten Konten hatten. Überschwängliche Frage des Bankbeamten: Wie viel brauchen Sie? Na eines. Der Berater hat aber die Millionen gemeint, er wollte uns einen Kredit verschaffen. Wir haben abgelehnt, dabei wäre es ganz unbürokratisch über die Bühne gegangen.
Dafür hat er, als wir im folgenden Winter einen Überziehungsrahmen von ein paar Tausend Euro wollten, um die Zwischenfinanzierung bestellter Teile zu vereinfachen, eine Reihe von Dingen zur Voraussetzung gemacht, die wir beibringen sollten, darunter eine Bilanz. Das war vor Ende des ersten Geschäftsjahres nicht möglich, und nachdem der Winter vorüber und die ersten Aufträge bezahlt waren, haben wir den Vorgang abgebrochen und sind mittlerweile bei einer anderen Bank.
Solides Business mit viel Freude
Generell nehmen wir bei Auftragserteilung eine Anzahlung von 30 Prozent, noch einmal so viel, wenn wir tatsächlich zu bauen beginnen, der Rest ist bei der Übergabe fällig. So lässt es sich halbwegs solide und ohne allzu großes Risiko arbeiten. Die Firma nährt uns, auch wenn wir schon ein bisschen von unserem Wohlstandsspeck abgenommen haben.
Unser Marketingbudget bewegt sich im streng einstelligen Eurobereich, unsere Produkte sprechen offensichtlich für sich. Abgesehen von unserer Präsenz in den sozialen Netzen bringt uns vor allem die Mundpropaganda neue Kunden. Und weil wir immer noch über unsere altbewährten Kontakte in der Industrie verfügen, kommt auch von dort immer wieder ein Auftrag, der aber keine weiteren nach sich zieht, denn wir brüsten uns nicht mit unseren Kunden sondern sind vielmehr für unsere Diskretion bekannt.
Und für die Freude, die wir an der Arbeit haben. Das war ja schließlich auch unser Hintergedanke, als wir unsere Firma TITAN starteten: Motorräder schöner machen und mit ihnen fahren. Nun, ersteres funktioniert ganz einwandfrei, das Fahren beschränkt sich allerdings auf die nötigsten Probefahrten – zumindest von und zur Arbeit!
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