Wie der Wiener Friseur Mod's Hair von seinen Lehrlingen profitiert
Motiviert, fleißig und talentiert: Weil Jürgen Kaiser seine Lehrlinge sehr bewusst einsetzt, sind sie auch finanziell ein Gewinn für den Betrieb.




Jürgen Kaiser hat selbst einst als Friseurlehrling begonnen, jetzt, als Co-Chef von Mod?s Hair in der Wiener Operngasse, bildet er selber aus. Und hält große Stücke auf das System Lehrlingsausbildung, auch aus unternehmerischer Sicht.
Zum Co-Chef hinaufgearbeitet
Vor fast 25 Jahren habe ich selbst meine Lehre begonnen, und zwar im niederösterreichischen Ternitz. Es war der einzige Salon weit und breit, der auf der Höhe der Zeit arbeitete. Aus der ganzen Gegend sind die Leute zu uns gekommen, um einen ordentlichen Schnitt zu bekommen. 2000, nach dem Bundesheer, bin ich aber sofort nach Wien und habe bei Mod?s Hair begonnen. Inzwischen führe ich – seit gut zwei Jahren – gemeinsam mit Peter Neumann, der das Geschäft vor 20 Jahren eröffnet hat, den Salon in der Operngasse.
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Gezielte Mitarbeitersuche
Wir haben uns immer auch als Ausbildungsstätte verstanden und Lehrlinge beschäftigt. Die meisten sind weitergezogen. Seit ein paar Jahren achten wir aber mehr darauf, sie strategischer einzusetzen und am Ende der Ausbildung zu behalten. Voraussetzung dafür ist, dass wir schon die Vorstellungsgespräche viel gezielter führen. Trotzdem kann es sich natürlich manchmal auch erst nach der dreimonatigen Probephase herausstellen, dass jemand sich bei uns nicht wohl fühlt oder nicht ins Team passt.
Gerade eben hatten wir so einen Fall. Aber neuerdings kann man ein Lehrverhältnis nach jedem Lehrjahr auflösen. Man meldet drei Monate vorher, dass es nicht passt und bekommt dann einen Mediator zur Seite gestellt. Wir haben uns von besagtem Lehrmädchen in gegenseitigem Einverständnis getrennt, und ich bin überzeugt, dass sie sich in einem Betrieb, zu dem sie besser passt, auch ganz anders entfalten kann.
Auf die Motivation kommt es an
Ich nehme ja selbst gerne Mitarbeiter auf, die woanders nicht glücklich geworden sind. Wenn die nämlich dann weitermachen, wissen sie schon ganz sicher, dass sie in dem Beruf arbeiten wollen und sind motiviert, bei uns ihr Bestes zu geben. Auch dass sie schon etwas älter sind, schadet gar nichts.
Wir erwarten von unseren Lehrlingen eine Menge Selbständigkeit und gute Umgangsformen. Wenn sie Verantwortung übernehmen können, wirkt sich das erfahrungsgemäß positiv auf die Motivation aus. Und der Arbeitsablauf wird auch viel flüssiger, wenn sie von sich aus erkennen, was sie wo tun können und etwa die Kundschaft freundlich betreuen.
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Praxis und Berufsschule
Am Anfang müssen wir uns natürlich immer um die Grundtechniken kümmern. Würden wir warten, bis sie die von der Berufsschule beigebracht bekommen, würde das zu lange dauern. Aber in der Berufsschule bekommen sie eine solide theoretische Basis, etwa über die Produkte, die in einem Salon verwendet werden. Das könnten wir neben der täglichen Arbeit mit den Kunden nicht wirklich transportieren.
Dia, eines unserer Lehrmädchen, beschwert sich manchmal, dass sie in der Schule nichts Neues erfährt, sie ist aber auch besonders ambitioniert. Also haben wir beschlossen, sie zu einem einwöchigen Training nach Deutschland zu schicken, wofür wir natürlich alle Kosten übernehmen.
Lehrlinge tragen sich selbst
Das tun wir nicht nur so aus Großzügigkeit – es bringt uns auch einen betriebswirtschaftlichen Nutzen. Natürlich freut es mich auch zu sehen, um wie viel motivierter Dia jetzt ihre neuen Fertigkeiten einsetzt. Aber jede Investition – egal ob Zeitaufwand oder echte Ausgabe – fließt natürlich auch in unsere Kalkulation ein: Auf der Habenseite verbuchen wir dann etwa die Zeitersparnis, wenn ein Lehrling die Farbe korrekt aufträgt und ich mehr Zeit zum Schneiden habe.
Dia erwirtschaftet ihr Gehalt so bereits selbst, und bald wird sie durch ihren Arbeitseinsatz den Umsatz erhöhen und so zum positiven Ergebnis des Betriebs beitragen. Daher wollen wir Dia und Claudia, ein zweites Lehrmädchen, nach Abschluss Ihrer Lehre in unser Stammteam aufnehmen.
Vom Start weg in Abläufe einbinden
Oft höre ich, dass jemand keine Lehrlinge will, weil die so viel Zeit in der Berufsschule verbringen müssen. Aber der Vorteil, jemanden selbst im Betrieb so ausgebildet zu haben, wie man es braucht, überwiegt in meinen Augen diesen Nachteil bei weitem. Und es wäre für mich auch völlig unsinnig, die jungen Menschen nur als billige Hilfskräfte einzusetzen, wie das oft passiert. Dann warten sie nämlich ständig auf Befehle und lernen nicht, bestimmte Prozesse selbständig zu erledigen – und das bedeutet für mich wiederum unproduktiven Zeitaufwand. In unserem Betrieb werden Lehrlinge daher vom ersten Tag an in die Arbeitsabläufe eingebunden.
Zusatznutzen: Jugend
Uns bringen unsere motivierten jungen Mitarbeiter auch noch den einen oder andern erfreulichen Zusatznutzen. Soziale Medien sind etwa für unsere Marketingaktivitäten sehr wichtig. Während ich mich erst langwierig mit der Materie vertraut machen muss, erledigen das die Digital Natives quasi nebenbei. Wir haben im Geschäft eine Foto-Ecke eingerichtet – mit Licht und allem. Da können wir unsere Kunden mit ihren neuen Frisuren fotografieren und gleich auf Facebook oder Instagram posten. Das bringt sehr gute Publicity. Und das fließt dann wieder als Gewinn in unsere Kalkulation ein.
Wir vermitteln unsern Jungen: Bei uns ist jeder Mitarbeiter ab dem ersten Tag Friseur, nicht Lehrling. Das hat sich bis jetzt immer bewährt.
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