Wie viel Transparenz braucht Organisations-Beratung?
Die Frage von Transparenz ist ständiger Begleiter beraterischen Tuns in Organisationen. Wie lässt es sich praktikabel strukturieren? Plädoyer für einen bewussten Umgang.
Die Frage nach Sinn und Zweck von Transparenz kann – in einem ökonomischen Kontext – auf eine lange Geschichte verweisen. Adam Smith hat in seinem 1776 erschienenen Buch zu The Wealth of Nations einen vollkommenen Markt als Grundlage eines universellen gesellschaftlichen Wohlstands postuliert. Vollkommen heißt dort, dass alle Marktteilnehmer in derselben Weise über alle markt-relevanten Informationen verfügen.
Joseph Stiglitz (2001, Nobelpreis für Wirtschaft) hat in einer seiner Arbeiten darauf hingewiesen, dass es sich bei Smiths Modell der vollkommenen Märkte um eine theoretische Fiktion handle. Reale Märkte seien immer auch durch Informations-Asymmetrien geprägt. Durch Monopole, Kartelle, verdeckte Preisabsprachen, Schummel-Softwares, etc. werden die vollkommenen Märkte zum Wohle einzelner Marktteilnehmer verdeckt gesteuert bzw. manipuliert.
Verdeckte Optimierung in Organisationen
In meinem Artikel Systemische Beiträge zu einer praktischen Theorie der Organisation habe ich 2005 versucht, den Bogen von der Welt der Volkswirtschaft zur Organisationsberatung zu spannen. Ich habe dort – sozusagen als Transfer-Vehikel – den Begriff verdeckte Optimierung eingeführt: Auch Organisationen sind – im Sinne von Adam Smiths Denken – nicht vollkommen. Sie sind im Sinne Stiglitz? voller Informations-Asymmetrien und Prozesse verdeckter Optimierungen – zwischen welchen Organisationsmitgliedern auch immer. Verdeckte Optimierungen sind Wesensbestandteil von Organisation. Soweit so gut!
Externalität, Allparteilichkeit, Beteiligungs-Orientierung
Hier soll es aber nicht um Organisations-Theorie gehen, sondern um Organisations-Beratung. Drei wichtige Parameter zur Bewertung der Leistungsfähigkeit von Organisationsberatung sind Externalität, Allparteilichkeit und Ausmaß an Beteiligung (oder Beteiligungsorientierung). Dazu im Detail:
- Externalität meint den unverstellten Blick von außen auf das Geschehen im Innen.
- Allparteilichkeit meint, dass nicht eine/einzelne Person/en Auftraggeber ist/sind, sondern das System als Ganzes. Damit übernimmt der Berater/die Beraterin die Aufgabe, sich in die professionellen Kontexte verschiedener Organisationsmitglieder hineinzuversetzen, um mit diesen auch hintereinander für den Beratungsprozess relevant zu kommunizieren.
Die Voraussetzung, die dieses Hintereinander ermöglicht, ist eine vorweg zu treffende Transparenzvereinbarung. Vorweg meint hier sowohl bei der Auftragserteilung, als auch in Folge bei jeder individuellen Beratungssituation. Berater schaffen damit die Möglichkeit, alle in einem sozialen Kontext entstehenden Gesprächsinhalte in einem nächsten Kontext innerhalb des Beratungsvorhabens –nach Maßgabe professioneller Funktionalität – öffentlich machen zu können.
Damit wird vermieden, mit einem Organisationsmitglied Geheimnisse zu teilen und dadurch bilaterale Loyalitätserwartungen entstehen zu lassen, bzw. sich in einem nächsten Schritt in Prozesse verdeckter Optimierung – welcher Art auch immer – zu integrieren. - Beteiligungsorientierung meint – im Sinne eines nachhaltigen Entwickelns oder Veränderns – RepräsentantInnen unterschiedlicher für das Veränderungsvorhaben relevanter Organisationsbereiche und -Ebenen in das Vorhaben funktional und aktiv zu integrieren und ihnen dort bewertungsfrei Sprache zu verleihen. Beratungsprozesse werden damit in der Phase der Lösungsarbeit aufwändiger und komplexer; in der Implementierungsphase einfacher. Wozu soll das gut sein?
Für und Wider organisationsberaterischer Transparenz
Die beschriebenen Parameter Externalität, Allparteilichkeit und Beteiligungsorientierung sind beratungsrelevant miteinander verwoben. Je mehr sich Berater in Situationen begeben, in denen bi- oder auch multilaterale Loyalitätserwartungen entstehen, in denen sie sich gegebenenfalls in Prozesse verdeckter Optimierung integrieren, umso mehr geht deren Externalität, der unverstellte Blick von außen auf des jeweilige Geschehen im Innen, verloren. Berater integrieren sich dann in das auftragserteilende System, in die operativ, taktisch und strategisch prägende, inhärente kommunikative Dynamik. Berater werden so zu externen Internen.
Die Wahrung einer (dem Beratenden durch die Organisationsmitglieder zugeschriebenen) Allparteilichkeit beinhaltet hingegen die praktische Möglichkeit, in unterschiedlichen Organisationsbereichen, sowie auf unterschiedlichen Organisationsebenen als Externer beteiligungsorientiert beratend tätig zu sein.
%MEDIUM-RECTANGLES%
Freiheit auf beiden Seiten
Allparteilichkeit macht frei! Berater sind dann nicht durch notwendige taktische Kalküle (wem darf ich was sagen, wem was nicht; wer erwartet von mir was, was nicht, ?) persönlich, fachlich und emotional gebunden, belastet, gestresst – und auch nicht in der Freizeit, wenn sie nicht mehr beim Kunden sind ?
Allerdings entsteht diese Freiheit auf beiden Seiten. Auch Auftraggeber werden durch unsere allparteiliche Arbeit uns gegenüber frei. Nichts ist umsonst! Es gibt dazu kein richtig oder falsch.
Es bleibt wohl nur individuelles Abwägen, unsere persönliche Bilanz: Wollen wir?s mit Adam Smith halten, wenn auch vielleicht nicht zum Wohle der Nation, so doch zumindest zu unserem eigenen? Oder doch mit Joseph Stiglitz und seinen Hinweisen auf die Kraft von Informationsasymmetrien ?
%CONTENT-AD%
Kommentare ( 0 )